Ein Jubiläum, das ein wenig erklärt werden muss …
… denn 1871 gab es hier eigentlich noch gar nichts.
1871 wurde der Landerwerb- und Bauverein gegründet,
und die ersten beiden Häuser konnten gebaut werden.
Aber erst am 9. November 1874 erhielt Friedenau
den Status einer selbständigen Landgemeinde.
In einem alten Heimatkundebuch haben wir diesen folgenden
Text gefunden, der die Geschichte der Gründung Friedenaus
sehr schön und ausführlich erzählt...
Ein bisschen altmodisch, eben Heimatkunde 1956, aber so hat es sich zugetragen...
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Idee und Abbildungen ©edition Friedenauer Brücke
Friedenauer Wappen-Engel im Lauf der Zeiten...
Abbildungen ©edition Friedenauer Brücke
Wie Friedenau gegründet und selbständige Gemeinde wurde
1871 war das Deutsche Reich gegründet und Berlin zur Reichshauptstadt erklärt worden. Nun wollten viele Behörden, Geschäfte und Gewerbebetriebe nach Berlin ziehen und suchten hier Arbeitsräume und Wohnungen.
Die Nachfrage nach Wohnraum wurde also immer größer.
Damit aber stiegen auch die Mietpreise, sogar bis auf das Dreifache.
„Woher sollen wir das Geld für die hohen Mieten nehmen?“ fragten sich manche Familienväter, die neben ihrer Frau auch mehrere Kinder zu versorgen hatten.
Über diese Not unterhielten sich eines Tages auch Karl Hacker und Ludwig Blankenberg, die im Kriegsministerium in einem Zimmer arbeiteten.
Beide bewohnten mit ihren großen Familien je eine kleine, aber sehr teure Wohnung mitten im Berliner Häusermeer.
Jeder von ihnen hätte gern eine größere Wohnung gemietet, noch lieber sich ein eigenes Häuschen außerhalb der Stadt erbaut. Aber wie sollten sie das Geld dazu aufbringen? Nun hatte Karl Hacker seine Zeitung mitgebracht. Darin stand zu lesen, daß Baulustige ihre Anschrift dem Schriftsteller David Born mitteilen möchten. Beide taten das sofort.
Bald hatten sie auch die Einladung von David Born in Händen, und am 9. Juli 1871 fanden sie sich bei ihm ein. Hier lernten sie unter den vielen Versammelten auch den Rechnungsrat Fröauf und den Baumeister Hähnel kennen, die wie sie ein eigenes Häuschen vor den Toren Berlins zu besitzen wünschten.
Aber es durfte nicht zu teuer sein.
„Ich kann Ihnen helfen“, erklärte David Born. „Der jetzige Besitzer des Rittergutes Wilmersdorf, Herr von Carstenn, hat mir nämlich billiges Bauland angeboten."
Diese Nachricht hörten die Versammelten gern; denn sie bot ihnen die Möglichkeit, ihren langgehegten Wunsch endlich zu erfüllen.
Nun sollte keine Zeit mehr verloren werden! Darum schlossen sie sich sofort zu einem Landerwerb- und Bauverein zusammen. Zu seinem Vorsitzenden wählten sie
David Born, der das Bauland möglichst bald kaufen sollte. Jedes Mitglied des Bauvereins sollte Gelegenheit haben, auf diesem Lande ein Wohnhaus zu erwerben, das im Laufe von 15 bis 20 Jahren sein Eigentum wurde.
Nicht lange danach hatte Born im Auftrag des Vereins 44 Morgen Land für 28 000 Taler angekauft. Das Gelände lag weit vor der Stadt, südlich der Berlin—Potsdamer-Chaussee, an der heutigen Rheinstraße. Baumeister Hähnel, der die Bauleitung übernommen hatte, ließ sofort Straßen durch die Felder ziehen und teilte Baustellen ab.
Denn alle Vereinsmitglieder wollten sobald wie möglich mit dem Hausbau beginnen. Für sie standen zunächst 95 Parzellen zur Verfügung, die durch günstigen Kauf für 25 bis 30 Mark je Quadratrute abgegeben werden konnten.
Sie waren also viel billiger als die Baustellen in Schöneberg.
Es fanden sich nun schnell so viele neue Baulustige ein, daß der Verein schon im Oktober 1871 weitere 86 Morgen vom Rittergut Wilmersdorf kaufte, diesmal nördlich der heutigen Rheinstraße.
Als erster begann Hacker in der heutigen Ringstraße* mit dem Bau, und bereits im Frühjahr 1872 konnte er sein fertiges Haus beziehen.
Im Herbst desselben Jahres standen sogar schon zwölf Häuser mit 120 Einwohnern in der neuen Siedlung.
Die weißverputzten Landhäuschen inmitten der Gärten und Felder sahen wirklich schmuck aus. Ruhe und Frieden herrschten hier, und keine
häßliche Mietskaserne störte das Bild. Reine Mietshäuser waren aus der Siedlung verbannt.
Die Käufer der Baustellen hatten sich nämlich vertraglich verpflichten müssen,
nur eingeschossige Eigenheime, aber keine Mietshäuser zu erbauen. Denn sie hatten ihre Parzellen billig gekauft und sollten aus ihnen kein Geld durch Vermieten herausschlagen.
So wohnten die Ansiedler angenehm und gesund inmitten der Gärten und Felder.
Nun mußte die Wilmersdorfer Kolonie einen Namen haben. Frau Hähnel meinte, hier wohne man wie auf einer friedlichen Aue und viel ruhiger als im Verkehrsgetümmel in Berlin. So passe am besten der Name Friedenau. Auch sei ja kurz vor der Gründung der Siedlung der Frieden nach dem Kriege mit Frankreich geschlossen werden.
Dieser Vorschlag fand allgemeine Zustimmung. Baumeister Hähnel entwarf ein passendes Wappen. Es zeigt einen Engel, der mit der Friedenspalme über eine blumige Aue schreitet.
Es herrschte angenehme Ruhe in der Siedlung; denn nur zwei wirkliche Verkehrsstraßen führten durch Friedenau. Beide, die Rheinstraße und die Bundesallee, bestanden schon vor der Gründung der Kolonie. Die Rheinstraße war als Teil der Berlin-Potsdamer-Chaussee die alte Handelsstraße nach dem Westen zum Rhein. Und die heutige Bundesallee ist eine alte Abzweigung von der Rheinstraße nach Charlottenburg.
Drei Jahre bestand die neue Siedlung. 76 Grundstücke waren bereits bebaut, auf denen 211 Familien mit 1145 Menschen wohnten.
Aber noch immer gehörte Friedenau zum Gutsbezirk Wilmersdorf.
Damit waren die Gründer Born, Blankenberg, Fröauf und Hacker gar nicht einverstanden. Sie wollten erreichen, daß Friedenau zu einer selbständigen Gemeinde erhoben werde. Ihre Bitte legten sie in einer Schrift „Die Kolonie Friedenau“ nieder, die sie dem damaligen Landrat des Kreises Teltow, dem Prinzen Handjery‚ überreichten.
Aber so einfach war die Loslösung der Siedlung aus dem Gutsbezirk nicht.
Da kaufte der Landerwerb- und Bauverein kurz entschlossen noch den Rest des Guts Wilmersdorf. Nun betrug die Fläche Friedenaus 550 Morgen oder 141 ha.
Sie reichte von der Born- und Fregestraße bis zur heutigen Ringbahn, von der Lauterstraße bis zur Laubacher Straße.
Mit dem Kauf war der Gutsbezirk aufgelöst worden.
Damit war das Hindernis beseitigt, und am 9. November 1874 wurde Friedenau eine selbständige Gemeinde.
Zum ersten Gemeindevorsteher wählten die Friedenauer Georg Rönneberg, zu Gemeindevertretern Blankenberg, Fröauf und Hertel.
Erster Schöffe wurde Hacker. Rönneberg führte die Amtsgeschälte ehrenamtlich in seinem eigenen Hause, Moselstraße 5. Nach 18 Jahren wurde sein Bruder Albert sein besoldeter Nachfolger und Schöffe Fehler dessen Stellvertreter.
Reinhold Kockjoy
Wahres und Sagenhaftes aus Schöneberg.
Berlin. Kulturbuch-Verlag. 1956.
*am 1. 11. 1962 wurde die Ringstraße in Dickhardtstraße umbenannt
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