Stadtteilzeitung 03-2022
NICOLAISCHE BUCHEMPFEHLUNGEN
Friedenau - Aus dem Leben einer Landgemeinde
herausgegeben von Hermann Ebling und Evelyn Weissberg
edition Friedenauer Brücke, 42 Euro
Eine Fülle an Geschichte und Geschichten bietet auch das neue Buch aus der edition Friedenauer Brücke: „Friedenau - Aus dem Leben einer Landgemeinde.“ Diesmal geht es um die Entwicklung von
der Landhaus-Kolonie zur modernen Berliner Vorstadt und damit um die ersten drei Jahrzehnte Friedenaus,
die Jahre von 1871 bis 1905. Wie schon in ihrem eindrucksvoll aufgemachten Bildband „Der Geist von Friedenau“, der das Straßenlabyrinth des Herrn von Carstenn im Spiegel der Zeiten darstellt,
haben Hermann Ebling und Evelyn Weissberg auch für ihr neues Werk reichlich Material zusammengetragen. Zeitungsartikel der damaligen Lokalpresse, Erinnerungen, Essays, Baupläne, Romanauszüge,
Postkarten und Fotos illustrieren so anschaulich wie lebendig die Gründungszeit Friedenaus. Da werden bekannte Orte wie Bahnhof oder Sportpark vorgestellt, aber auch eher unbekannte wie die Obst-
und Gartenbauschule für Frauen. Da geht es um Lokalprominenz oder ganz normale Bewohner*innen, die in irgendeiner Form auffallen, wie eine gewisse
Frau von Süßbuschel, die mit ihrer kreischenden Hühnerschar die Geduld der Nachbarn erheblich strapazierte. „Friedenau - Aus dem Leben einer Landgemeinde“ ist eine Schatzkiste an Dokumenten, die
aufzeigen, was Alltag und Stimmung in der damaligen Villenkolonie ausmachte –
und was bis heute nachwirkt. Ein anregendes Lesebuch zum Ein- und Abtauchen.
Eine Buchempfehlung von Wiebke Eden, Nicolaische Buchhandlung, Berlin-Friedenau
"Das Stehenbleiben auf den Bürgersteigen soll ab jetzt in Steglitz bestraft werden..."
Eine Meldung aus den Gründertagen von Friedenau, nachzulesen in der wunderschönen Neuausgabe
des Standardwerks "Aus dem Leben einer Landgemeinde" von Hermann Ebling und Evelyn Weissberg
mit Berichten, Bildern, Karten aus den Jahren 1871-1905.
Ein Muss für Friedenauer und alle Berlin-Bibliophilen, schon der liebevollen Ausstattung (farbiger
Schnitt! zwei Lesebändchen! tolles Papier!) wegen.
Erschienen und zu bestellen im Verlag edition Friedenauer Brücke und im Buchhandel.
...schrieb "Berlinologe" Michael Bienert im Januar 2022
www.text-der-stadt.de
Rheinstraße mit Marktplatz im Winter, um 1900 © edition Friedenauer Brücke
Dezember 2021/Januar 2022
FRIEDA Das Lokalmagazin für Friedenau und Umgebung
LITERATUR Kiezgeschichtsbuch der "edition Friedenauer Brücke"
Friedenau
Aus dem Leben einer Landgemeinde
Es ist das neueste Werk des lokalen Verlags edition Friedenauer Brücke:
Dieser Tage – und damit pünktlich zu Weihnachten (und somit durchaus auch mit Geschenk-Potenzial) – erscheint „Friedenau – Aus dem Leben einer Landgemeinde“.
Autorin und Verlegerin Evelyn Weissberg war, wie immer, gemeinsam mit ihrem Mann über viele Monate damit beschäftigt Quellen zusammenzustellen:
„Bei unserem Buch geht es um die Beschreibung, die ‚Innenansicht‘ der Gründung der Landhaus-Kolonie und um ihre Entwicklung zu einer modernen Berliner Vorstadt zwischen 1871 und 1905“, erklärt sie. „Es ist sozusagen ein Porträt der Generation der ‚Colonisten‘, wie sie damals genannt wurden.“
Ein aktueller Hintergrund: Zwischen 2021 und 2024 wird an den 150. Jahrestag der Entstehung Friedenaus erinnert (FRIEDA berichtete).
„Wie auch schon in unserem ‚Der Geist von Friedenau‘ und eigentlich allen unseren Büchern zur Historie Friedenaus wird auch dieses Mal die Geschichte wieder durch Originaldokumente und unterschiedlichste Texte aus der Zeit erzählt, hier allerdings mit noch nie von uns veröffentlichten historischen Texten und Dokumenten sowie auch mit zahlreichen erstmals gezeigten ‚alten‘ Bildern und Fotografien.“ So sei ein abwechslungsreiches „Tagebuch“ der frühen Jahre entstanden, erklärt Weissberg. Erhältlich ist der knapp 500 Seiten und mehr als 400 Abbildungen starke „Wälzer“, wie die Verlegerin ihn nennt, in den örtlichen Buchhandlungen in Friedenau und ganz Berlin sowie über die Website des Verlags www.friedenauer-bruecke.de
„Eine Eisbahn auf dem Balkon hat sich eine hiesige findige Hausfrau geschaffen. Allabendlich nach Eintritt der Dunkelheit sieht man die Frau dem schönen Sporte obliegen. Auch der Ehemann will die
Kunst erlernen und hat sich bereits ein Grammophon gekauft, damit das Konzert nicht fehle, wenn er an der Seite der Gattin auf den Eisschuhen dahineilt.“
Schon im Klappentext ihres neuen Bandes lassen Evelyn Weissberg und Hermann Ebling, Gründer*innen der „edition Friedenauer Brücke“, Friedenau für sich sprechen. Die kleine Vignette
aus dem früheren Lokal-Anzeiger (Januar 1905) ist nur eine von hunderten sorgfältig kurierten Nachrichten, die das frisch gedruckte Buch durchziehen.
„Es ist ein Eintauchen in eine vergessene Zeit“, sagt Weissberg dem Tagesspiegel. Geschichte wirklich lebendig zu vermitteln, sei nicht einfach – besonders, wenn das klassische Geschichtsbuch nur die oberen Zehntausend im Blick habe. Ihr Lesebuch schaut deshalb ganz genau hin auf die, die schufteten, bauten, durch die Straßen der einstigen Künstlerkolonie flanierten.
„Friedenau – Aus dem Leben einer Landgemeinde“ erzählt die Gründung des heute am dichtesten besiedelten Berliner Ortsteils und räumt auf mit alten Mythen: Auf sein rundes Jubiläum muss sich der Kiez nämlich noch ein wenig gedulden. „Selbst das Bezirksamt wollte dieses Jahr die 150-Jahrfeier feiern“, so Weissberg. „Da haben wir gesagt: Das stimmt ja gar nicht – Friedenau ist doch erst 1874 als Landgemeinde gegründet worden. 1871 wurden zwar schon ein paar Häuser gebaut, aber davor war hier nichts.“ Diese Wissenslücke zu schließen, hat sich das Paar nun zum Ziel gesetzt: Anders als ältere Bücher des Verlags nimmt sich der aktuelle Band fast ausschließlich die Zeit vor 1900 vor.
Wie ein Tagebuch erzählt die Sammlung die Kinderjahre Friedenaus. Lange Lockdown-Tage verbrachten Weissberg und Ebling damit, sich durch endlose Archive zu wühlen: Den mittlerweile
quasi-legendären Aufruf des Schriftstellers David Born, den horrenden Mieten Berlins zu entfliehen und einen eigenen Ortsteil auf den damals noch grünen Vorstadt-Feldern zu gründen, fanden
sie schließlich als Original in einer Ausgabe der „Vossischen Zeitung“ von 1871.
Der bisher nur als einfache Abschrift zugängliche Artikel „Zur Wohnungsfrage“ ziert nun als stattliche Faksimile die erste Seite des Bandes. Was folgt, sind Kaufverträge, Adressbücher, Stadtpläne
– „es geht richtig ins Eingemachte“.
Herz des Bandes sind jedoch keine staubigen Amtsschriebe. Stattdessen reihen sich tragische, kuriose und herrlich banale Meldungen aus den Lokalzeitungen aneinander: „Hundediebstähle an der Tagesordnung“, heißt es da. „Eine Kanne saure Sahne gestohlen“. Im Winter 1886 ist das Teltower Kreisblatt regelrecht verzückt über eine Eisfläche direkt an der Rheinstraße, die ein Anwohner geschaffen hat. „Wer hätte wohl gedacht, daß unser Ort sich einmal einer Eisbahn erfreuen würde!“ Aus dem Nachbarbezirk kommen derweil grimmige Nachrichten: „Das Stehenbleiben auf den Bürgersteigen soll ab jetzt in Steglitz bestraft werden.“
Fast 500 Seiten hat der Verlag so mit Friedenauer Geschichten gefüllt. Frau Weissberg lacht am Telefon. „Eigentlich hätten wir weniger rausgeben müssen! Aber das sind einfach so sprechende Artikel – man bekommt wirklich einen Einblick in die damalige Zeit.“ Gar nicht so wie früher im Geschichtsunterricht. Weissberg und Ebling war es wichtig, zu zeigen, wie die einstigen Bewohner*innen gedacht haben, was sie umtrieb, welcher Zeitgeist im jungen Friedenau zu spüren war. 500 Seiten voller Meldungen und Fotos sind dafür gerade ausreichend: „Die sind wie eine Zeitmaschine.“
„Friedenau – Aus dem Leben einer Landgemeinde“ ist im Verlag „edition Friedenauer Brücke“ erschienen.
Seit dem ersten Dezember ist der Band für 42 Euro online und im Buchhandel zu erstehen.